02.04.2023

Aus dem Gemeinderat

Sehr geehrte Anwesende,

Im Mai 2021 war in den BNN zu lesen, dass eine Historische Kommission eingerichtet werden soll, die die Vorwürfe gegen den 1998 verstorbenen Malscher Ehrenbürger und Pfarrer Anton Böhe aufarbeiten soll.

Den Stein ins Rollen gebracht hat ein Schreiben, das im Oktober 2020 das Bürgermeisteramt erreichte. Darin drückt Joe Degado; aufgewachsen in Malsch unter dem Namen Joachim Nies, Sohn des kurz zuvor verstorbenen Vaters und langjährigen Organisten Eugen Nies, sein Erstaunen darüber aus, dass Pfarrer Anton Böhe die Ehrenbürgerschaft vom Gemeinderat verliehen wurde. Und dies nach knapp 40 Jahren!

Wie bereits in der Verwaltungsvorlage dargestellt, sollte die Aufarbeitung der erhobenen Vorwürfe unter historischen Gesichtsunkten von Dr. Clemens Rehm vorgenommen werden. Den mündlichen Vortrag in Form einer Zusammenfassung aus diesen Bericht haben wir in letzten 30 Minuten aus berufenen Mund gehört.

Nach 15-monatiger Recherche in unterschiedlichen Archiven und Rückmeldungen von Betroffenen erfolgte die Übergabe des Abschlussberichts am 25.09.2022.

Heute soll nunmehr in aller Öffentlichkeit über die Ehrenbürgerwürde und die Straße für Anton Böhe beraten- und entschieden werden. 


Die Vita von Anton Böhe im Dorf Malsch:
1952 Antritt in Malsch
1974 Ernennung zum geistlichen Rat
1982 Ernennung zum Ehrenbürger
1985 Ruhestand
1998 verstorben; letzte Ruhestätte auf dem Friedhof Malsch
(das Grabmal wurde von einem Künstler aus Beuron geschaffen; Pfarrer Böhe hat dies selbst bestellt und bezahlt)

Ich habe den Abschlussbericht gelesen und bin dankbar für die analytische Aufarbeitung, die Clemens Rehm im Auftrag der Gemeinde geleistet hat.

Es gibt noch zwei lebende Gemeinderäte, die beteiligt waren an der Abstimmung zur Ehrenbürgerschaft von Anton Böhe, ich bin gehöre dazu.

Eins vorab: Es wäre ein Kollateralschaden, wenn die verantwortlichen Gemeinderäte, die für die Ehrenbürgerschaft gestimmt haben 40 Jahre später als „inkompetent“ hingestellt werden und deren Entscheidung in den Schmutz gezogen wird.
Es wäre unredlich, Verhaltensweisen aus der damaligen Nachkriegszeit mit den heutigen Maßstäben zu bewerten. Ja, sie sind heute wirklich bedrückend.

Entscheidungen werden immer gegenwärtig getroffen und man muss sich schon die Mühe machen nachzuforschen, was der Zeitgeist in den 60-er und 70-er Jahren war:

In der Städteplanung autogerechte Städte; offene Bachläufe wurden breiteren Straßen geopfert. Es entstanden massige Betonbauten inmitten Fachwerkumgebung. Diese Ausläufer können auch wir in Malsch erkennen.

Und in der Schule? Schüler hatten aufmerksam, diszipliniert und voller Respekt im Umgang mit Lehrkräften zu sein. Wer gegen diesen Codex verstieß, hatte mit körperlicher Züchtigung zu rechnen. Diese abschreckende Methode war zu diesem Zeitpunkt legal und wurde von den Eltern der Schüler als „normal“ betrachtet und teilweise zuhause selbst praktiziert. Manche Pädagogen mit dem gleichen Verhaltensmuster dürften Anton Böhe bei seinen Methoden dabei ermutigt haben.

Erst im Jahre 1973 wurde die Prügelstrafe gesetzlich verboten.

Trotz Gleichberechtigungsgesetz aus dem Jahre 1958 durften in Westdeutschland bis ins Jahr 1977 Frauen nur dann berufstätig werden, wenn das „mit ihren Pflichten in Ehe und Beruf vereinbar“ war.

Ja, so war die Zeit vor 50 Jahren!

Wie war eigentlich Anton Böhe?

Bei all den Recherchen und persönlichen Schilderungen wurde vielmals das negative Bild von Anton Böhe dargestellt. Das ist auch nicht verwunderlich, denn der Auftrag war schließlich, die Vorwürfe gegen Pfarrer Böhe zu untersuchen.

Jede Münze hat zwei Seiten- oder gemäß Goethe: Wo Licht ist- ist auch Schatten. Das Prinzip dabei: Gegensätze bedingen einander. Das ist in der Natur so, aber auch zwischen den Menschen.

Zurück ins Jahr 1980

Anton Böhe genoss im Dorf großen Respekt und Ansehen. Er war nicht zimperlich, wenn manche Dinge aus dem Ruder liefen. Seine verbalen Äußerungen erreichten auch die letzten in der hintersten Kirchenbank- auch ohne Mikrofon.
Eigene Jugendereignisse und traumatische Erlebnisse und Erfahrungen aus der Kriegszeit sowie eine schwere Kriegsverletzung haben ihn geprägt

Die CDU-Fraktion hat im Januar 1982 den Antrag gestellt, Geistlicher Rat Anton Böhe zum Ehrenbürger zu ernennen. Am 17. Februar 1982 hat der Gemeinderat in seiner Sitzung einstimmig darüber entschieden, Pfarrer Anton Böhe das Ehrenbürgerrecht zu verleihen.

Die Gründe hierfür waren:

  • Gründung des Krankenpflegevereins und der Krankenpflegestation in seiner Amtszeit
  • Aktivitäten bei der Caritas (Ettlingen; Albert Stehlin Haus) und bei den Kriegsheimkehrern (VDK)
  • Bau der ortsbildprägenden Kirchen St. Bernhard in Malsch und St. Igantius in Sulzbach
  • Renovation und Restauration der Kirchen St. Cyriak, St. Michael; St. Ignatiuskapelle in Sulzbach: St. Peter Kapelle auf dem Friedhof,
  • Ernennung zum Geistlichen Rat durch die Amtskirche
  • Ein gern gesehener Gast bei zahllosen öffentlichen und gesellschaftlichen Veranstaltungen und Vereinsjubiläen

Den Ehrenbürgerbrief wurde an seinem Jubiläum 30 Jahre Pfarrer in Malsch im Theresienhaus in einer Feierstunde am 16.05.1982 unter Teilnahme vieler Malscher Bürgerinnen und Bürger übergeben.

Frage in die Runde: Geht es heute in dieser Diskussion um späte Rache oder Richtigstellung?
In erster Linie geht es um Aufarbeitung der Geschehnisse und deren Einordnung. Gleichfalls auch um Heilung der seelischen Wunden mit Nachsicht und Vergebung.

Anton Böhe war nicht nur Priester, er war Mensch wie Du- und Ich mit all seinen Stärken und Schwächen. Wir sehen heute sein gesamtes Wirken in Malsch.

Unter Abwägung aller Belange spricht sich die CDU-Fraktion dafür aus, dass eine Aberkennung der Ehrenbürgerschaft nicht erforderlich ist, da sie mit dem Tod automatisch erloschen ist. Ebenfalls sollte die nach ihm benannte Straße belassen werden.
Das Grabmal soll unverändert bleiben, wir respektieren die Totenruhe.

Um den Frieden zu bewahren und unter Berücksichtigung heutiger Moralvorstellungen und Werte befürworten wir, dass eine Zusatzklärung an das Straßenschild angebracht wird.

Ich ende mit dem Satz: Lasset den Toten ruhen in Frieden!


Hermann Geiger, stellvertretender Fraktionsvorsitzender CDU-Gemeinderatsfraktion


 

 


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